Weiter den Fluss entlang


Der nächste Morgen war nach einer sehr guten, doch viel zu kurzen Nacht, vielversprechend. Auch was das Wetter betraf.

Im Speisesaal erwartete uns reges Treiben. Fast konnte man den Eindruck bekommen, dass die meisten Gäste Angst hatten, an diesem Morgen kein Brot oder Belag mehr zu ergattern. Doch bevor dieses Szenarium wahr werden konnte, erschienen die fleißigen Helfer aus der Küche mit neuem Brot, Käse- und Wurstplatten. Die Schüsseln mit Müsli wurden aufgefüllt und sogar neuer Orangensaft wurde hereingetragen. Die Meute kaute zufrieden.

 

Nach dem Frühstück trollten wir noch durch das Haus, suchten den Korb für die benutzte Bettwäsche, machten Fotos und steckten dabei die ein oder andere Information über die Region Namur an der Rezeption ein. Die Dame beobachtete unser entspanntes Handeln und fragte uns freundlich, ob wir noch eine weitere Nacht bleiben wollten. Zwar ging es dem Fuß nicht so toll, aber wir waren neugierig auf das was uns erwartete. Dieser Wusch verstärkte sich noch, als die Dame meinte: "Dinant, ach das sind nur noch 25 km. Eine wundervolle Strecke, es geht nun in die Schluchten und Sie laufen weiter direkt an der Maas lang. Das ist ein schöner, ganz ruhiger Weg zum Genießen."
Wir schulterten unsere Rucksäcke und liefen los.

 

Nachdem wir die letzte wirklich hochherrschaftliche Villa von Namur hinter uns gelassen hatten, tauchten wir in die Park ähnliche Flusslandschaft ein. 


 

Die Felsen der Ardennen waren nun stets so nahe, dass wir an einigen Stellen tatsächlich durch Schluchten liefen. Dann plötzlich grüßte uns von der anderen Flussseite herüber ein Märchenschloss. Ja, so konnte man leben.



Eine Stunde später erreichten wir Profondeville und erstanden bei einem Bäcker wundervolle frische Brötchen, die er uns ganz nach unseren Wünschen belegte. 


 

Mit diesen Köstlichkeiten ging es zurück auf eine der Parkbänke am Fluss, mit Aussicht auf das Restaurant „Le Belvedere Des Roches de Frenes“, hoch über uns auf die Felsen gebaut. Später habe ich zu Hause erfahren, dass dieses Restaurant einen vorzüglichen Ruf genießt und als Geheimtipp bei Genießern gehandelt wird. Uns schmeckten die Brötchen in der warmen Sonne genauso gut.



Leider wurschtelte der Mann an meiner Seite doch wieder mit seinem Fuß. Als er den Schuh auszog, war die Fessel wieder dick. "Lass uns weitergehen, sonst geht gar nichts mehr" meinte er und so trollten wir langsam weiter.


 

15 Minuten später zogen unglaublich schwarze Wolken auf. Irrten wir oder hörten wir sogar ein Grollen? Wir retteten uns noch gerade rechtzeitig unter eine Brücke. Aus der letzten Biegung des Flusses herauf zogt ein weißer dichter Vorhang auf uns zu. Ein Unwetter mit Blitz und Donner zog über uns hinweg. Keine 10 Meter Sicht waren es plötzlich. Unter unserem Brückenschutz standen wir wie hinter einem Wasserfall. Die Temperatur sank rapide, wir fröstelten.

 

Genauso schnell wie der Spuk gekommen war, war er auch wieder vorbei. 
Also fröhlich weiter, vorbei an Anglern und Federvieh. Sogar die Sonne blitzte wieder zwischen den noch immer dicken schwarzen Wolken hervor. Verschwand wieder und an der nächsten Flussbiegung sahen wir den nächsten Regenvorhang auf uns zukommen. 
Wir rannten unter die glücklicherweise kurz vor uns liegende Brücke. Nein, hier fanden wir nicht wirklich Schutz, denn der Wind peitschte die Regentropfen genau auf uns. Eine Gruppe Motorradfahrer flüchtete sich ebenfalls zu uns. Laut schimpfend suchten sie ihren Regenschutz in den Taschen.



Nach 20 Minuten konnten wir im leisen Nieselregen weiter laufen. Dieser Nieselregen verstärkte sich zu einem neuen Wasserfall. Gut, dass wir kurz vor der kleinen Ortschaft Anhée waren. Hier sollte es laut unseren Informationen am Ortsende in Richtung Dinant auch ein B&B geben. Das musste doch zu schaffen sein. 


 

10 Minuten später standen wir triefend vor der Tür des B&B. Wir wurden von einer älteren Dame freundlich hereingebeten. Ja, sie hatte noch ein Zimmer frei. "Ich hole meine Tochter, die macht das jetzt."
Was dann geschah, war ein schlechter, ein sehr schlechter Scherz. 
Die Tochter erschien im Wohnzimmer und polterte gleich los. Sie wollte wissen was uns einfalle, so nass in ihren Wohnzimmer zu stehen. Wir würden ihren guten Teppich ruinieren. Zudem hätte sie für uns kein Zimmer, jedenfalls nicht für dreckige Wanderer, die nur eine Nacht schlafen wollen und ihr nur viel Arbeit machen würden. Als Ihr hinzugeeilter Mann und die ältere Dame versuchten, sie zu beruhigen, keifte sie uns erneut an, dass sie eigentlich bereits auf Gäste warten würde "...und nun bitte, verlassen Sie sofort mein Haus."
Da standen wir wieder draußen im Regen.



Ein Stückchen weiter sahen wir eine Bushalte mit kleinem Wartehäuschen. Hier suchten wir Schutz. Als der Bus mit Fahrtrichtung Dinant kam, es regnete noch immer, beschlossen wir einzusteigen und die letzten 5 km nach Dinant zu fahren. Dort würden wir sicher freundlichere Menschen und ein Bett finden.

In der Touristeninfo am Bahnhof machte man uns nach einigen Telefonaten keine Hoffnung. Ein Musikfestival, alle Betten waren bereits vergeben. 
Wir beschlossen unser Abenteuer hier zu beenden und den nächsten Zug in Richtung Heimat zu nehmen. 


Zuerst mussten wir aber 3 mal umsteigen, bevor wir in Maastricht landeten. Hier erfuhren wir, dass es große Probleme auf der Strecke nach Venlo gäbe. Aber es käme ein Ersatzzug - und dieser natürlich mit Verspätung. Draußen war es inzwischen dunkel. 
Der Zug fuhr endlich ein.
Nachdem wir endlich abgefahren waren erschien eine kurze Zeit später ein Schaffner und bat um unsere Fahrkarten. Nein, die seien NICHT richtig. Eigentlich, so befand er, wären wir ohne Fahrscheine unterwegs. Er zog nicht nur die von uns bezahlten Fahrkarten ein, sondern schmiss uns trotz unseres Protestes am nächsten Bahnhof raus.
Da standen wir, inzwischen mitten in der Nacht, auf einem Bahnsteig in der Pampa, ohne Fahrausweise und blassem Schimmer, wie weiter.
An einem Automaten kauften wir neue Fahrkarten, hoffend, dass diese gültig seien, nachdem wir festgestellt hatten, dass in gut einer Stunde ein Bummelzug in unsere Richtung fahren würde.

Ich habe noch nie so glücklich, weitere 3 Stunden später, meine Kissen in meinem Bett umarmt.
Diese Etappe war so kurios, wir werden noch lange davon erzählen können.

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