Lüttich - Luik - Liège


Was würden wir auf den nächsten Metern, Kilometern mit uns tragen?
Was würden wir zurücklassen können?
Wann würden wir bei uns selbst ankommen?
Lauter Fragen, die mir im Kopf herumschwirrten als wir wieder vor dem Bahnhof von Liege-Bressoux standen. 
Nun in der freundlichen und warmen Sonne erschien mir alles was geschehen war so unwirklich.
Gleichzeitig war in uns eine unglaubliche Freude. Ja, wir freuten uns auf diese Stadt, unser Symbol von Normalität und positiver Bewegung.

 

Auch Lüttich hat einen schwere Zeit hinter sich. Aufstieg zur bedeutenden Industriemetropole bis in die 50er Jahre und tiefer Fall bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Nun aber erfindet sich diese Stadt gänzlich neu.
Das machte uns neugierig und faszinierte uns gleichzeitig.
"Zeige Dich, meine Schöne an der Maas. Erschließe Dich uns. Zeige uns, dass es immer weiter geht."

 

Der kleine Wanderführer in meiner Hand beschrieb einen Weg vom Bahnhof hinüber auf die große Insel in der Maas.
Die Strecke führte uns mitten durch die sichtbaren und greifbaren Veränderungen dieser Stadt. Das heruntergekommene Stadtviertel Bressoux wurde gerade radikal saniert.
Was bedeutete, dass wir den ersten Kilometer durch eine Geisterstadt zurücklegten. Fast wie nach einem Bombardement standen die Häuser, Hochhäuser, ganze Straßenzüge inklusive der Geschäfte, einer Schule und einer Kirche in den unterschiedlichsten Stadien des Abbruchs in der Sonne. Ehemaliger Wohn- und Lebensraum für Tausende, die für das Leben in dieser Stadt zuständig gewesen waren. Nun aber warteten tiefe Krater auf ihre Füllung mit Erde oder Beton. Noch war nicht erkennbar, ob hier eine Parkanlage oder neue Gebäude entstehen würden.
Voller Symbolik, diese ersten Kilometer.


Die weiterführende Beschreibung unseres Wanderführers lautete:
"Die folgende Ampel überqueren und die Brücke Pont De L´Atlas V über die Maas nehmen. Links in den Quai Goder Froid Kurth einbiegen. Die Straße, die an der Maas entlang führt, nehmen, den Fußweg nach wenigen Metern direkt am Ufer folgen. Sie befinden sich nun auf der Insel in der Maas, die vor Jahrhunderten durch Sedimente des Flüsschens Legia angespült worden ist. Diese Insel liegt mit  ihrer breitesten Stelle genau vor der historischen Altstadt. Am linken Ufer wohnte das reiche Bürgertum in ihren Stadtpalästen. Perlen von Jugendstilhäusern durchziehen die gesamte Gegend. Für Jene sichtbar, die sich die Mühe machen, sie zu suchen. Der größte Platz, der Place Saint Lambert befindet sich in der Altstadt mit dem Justiz Palast."


 

Uns war diese Insel vor allem durch den wundervollen Flohmarkt bekannt, der sich an jedem Wochenende hier abspielt. Wie viele Stücke haben wir hier schon erstanden?


 

An diesem Tag aber ließen wir uns von der Maas leiten, genossen die Rituale des Frühjahrsputzes auf den Booten, tauchten in Gassen und Hinterhöfe ein und wurden vom morbiden Charme dieses Stadtteils, dieser Insel verzaubert.



Wir wechselten hinüber zur anderen Seite der Insel, schlenderten den Quai entlang und entdeckten plötzlich, in den Weg eingelassen, im Aufgang zu einer der Brücken, die Jacobsmuschel. Wir waren weiterhin auf dem richtigen Weg.



Genau gegenüber der Brücke ein wundervolles, kleines Restaurant, das bereits seine Tische und Stühle auf die Straße geräumt hatte. Hier, so vermeldete die Speisekarte, gab es den "Salade Liège", also den Lütticher Salat.
Nein, das wollten wir uns nicht entgehen lassen und so ließen wir uns voller Entdeckerfreude an einem der leuchtend rot-orange eingedeckten Tische nieder.


 


Nach der Pause tauchten wir in die Altstadt von Lüttich ein. Angeschmiegt an die Hügel der Maas, durchzogen von unzähligen engen Gassen, die oft nicht breiter sind, als dass zwei Menschen nebeneinander hindurch passen, präsentierte sie uns ihre vom Kohlenstaub des letzten Jahrhunderts geschwärzten Häuser, die fast überall gerade renoviert wurden. Schon bald würde alles in neuem Glans erstrahlen.
Plötzlich lichtete sich das Gewirr der Gassen. Wir traten hinaus auf die "Rue Leopold". Unser Blick ging hinüber auf das "Palais du Prince Eveque" und das Rathaus. Ein Stück weiter oben das neue Gebäude des Gouvernements. Wir stiegen die Treppen und Gassen hinauf bis zur Citadelle und hatten einen wundervollen Blick auf das Treiben unter uns und auf den ruhig dahin fließenden Fluss. 


  

Später ging es schlendernd kreuz und quer wieder hinunter und weiter durch die Stadt. Wir entdeckten weitere Jugendstilhäuser, fanden uns ganz unvermittelt im "Le Grand Curtius", wo gerade eine der Ausstellungen zur "Foto Biennale" stattfand, die überall in der Stadt gezeigt wurde.



Weiter ging es zum Place Saint Lambert, mit Abstecher zum "Place de Commisaire Maigret". Er ist einer Verbeugung vor dem großen Schriftsteller der Stadt, George Simenon, der 1903 in Lüttich geboren wurde.
Wenige Schritte später standen wir vor der "Opéra Royal de Wallonie". Von da waren es nun nur noch wenige Schritte bis hinüber zur "St. Paul Kathedrale".


Man musste sich Zeit nehmen, um all das zu entdecken. Auf einer Bank im Sonnenschein verweilen und dabei den geschäftigen Menschen zuschauen.
Auf dem Weg zum Stadtteil Guillemins fanden wir auch die Kirche "St. Jacques" und holten uns den offiziellen Pilgerstempel für unseren Pilgerausweis ab.

Heute oder doch erst Morgen besuchen wir den wundervollen Bahnhof "Liege Guillemins"?
Wir haben Zeit!
Wir hatten unser Paket abgeworfen.
Nun wollten wir das Jetzt genießen.

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