Das 9-Euro-Ticket-Projekt / 5. Reise


Start:
Viersen
Ziel:
Geplant Oberhausen, es wurde Münster
Anreise:
30.06.2022 / geplant 9:13 
Abreise:
30.06.2022 / geplant 18:37 
Endpunkt:
Viersen

Es versprach ein wundervoller Sommertag zu werden. Früh  aus den Federn und unser Juni-Monatsticket noch einmal am letzten Tag benutzen. Soweit der Plan, den wir am Abend vorab ausgeheckt hatten. Ziel unserer Reise sollte Oberhausen werden. Da ist immer etwas zu sehen, besonders die Kunstwerke am und über dem Rhein-Herne-Kanal. Dazu der Gasometer (wir hatten von der neuen Ausstellung nur Gutes gehört) und dann natürlich Centro-O.

Fröhlich ging es per Auto in Richtung Viersen, denn bereits auf der App wurde vermeldet, dass Nettetal-Kaldenkirchen wieder nur "bedingt" als Haltepunkt in Betrieb war.
Mit einer klitzekleinen Verspätung standen wir dann am Bahnsteig in Viersen und wunderten uns über die vielen wartenden Passagiere auf allen 4 Bahnsteigen. Ein junger Mann erklärte uns, da wären mal wieder massive Zugausfälle. Der von 9:13 h solle noch einlaufen. Nein, der lief nicht mehr ein! Die meisten Leute gingen zurück zum Parkplatz, andere machten sich in Richtung Bushaltestelle auf den Weg. 
Warten war die neue Disziplin. Dann eine Durchsage: Der Zug um 10:13 h nach Oberhausen, Gleis 3 würde mit Verspätung einlaufen. Kurz darauf eine neue Durchsage, zumindest das funktionierte. Mit Verspätung würde der Zug nun auf Gleis 4 einrollen. Was soll es, wir haben im Gegensatz zu den anderen Wartenden Zeit.

 

Endlich fuhr der Zug ein. Da sich die Fahrgäste zum großen Teil auf andere Möglichkeiten konzentriert hatten, war es fast leer im Abteil. Bis Krefeld Hauptbahnhof ruckelte der Zug vor sich hin. Hier dann die nächste Durchsage:
Der Zug fährt wegen einer Signalstörung NICHT nach Oberhausen. Dieser Zug fährt heute über Essen Hbf weiter nach Münster. Reisende mit den Fahrzielen Oberhausen, Gelsenkirchen und Wanne-Eickel können ab Duisburg Busse benutzen.  

Es gibt Tage, die haben ihren ganz eigenen Rhythmus. Einer dieser Tage war der 30. 06. definitiv! Sollten wir uns nun in einen Bus zwängen oder? ....


.... Wir blieben sitzen. Münster war doch auch noch auf unserer "Sommer-Erlebnis-Liste". 
Es schien eine sehr gute Wahl gewesen zu sein, angesichts der Begegnungen und Erzählungen der Mitreisenden während der Fahrt. Nach 2 weiteren Stunden landeten wir dann in Münster. Die Bahn-App vermeldete, dass der Zug nach Oberhausen pünktlich in Viersen abgefahren wäre!!!!

 

In Münster erwartete uns warmes Sommerwetter. Sorry, nein es waren bereits richtig heiße Temperaturen. 
Wir liefen gemütlich in Richtung Altstadt / Dom. Dabei hingen wir Beide unseren Erinnerungen nach. Bei mir waren es die Jahre 1967 / 68, in denen ich oft mit meiner Schwester zusammen hierhin gereist bin. Ihr Freund studierte damals an dieser Uni. In meinem Gepäck war immer die Sehnsucht nach Reiseabenteuer und meine Gitarre.

 

Langsam schlenderten wir weiter zum Prinzipalmarkt mit seinen historischen Gebäuden und den  wundervollen Arkaden. Verweilten mit vielen Mutmaßungen über "Drehorte" zum Münsterkrimi mit Boerne und Thiel, fänden es lustig die Darsteller von Wilsberg unvermutet zu treffen.


Dann standen wir vor der gotischen Kathedrale St. Lamberti mit seinen Körben für die drei Ketzer, die auf dem Kirchplatz öffentlich gefoltert und hingerichtet wurden. Wieder keine gute Kirchengeschichte für mich! Mir stand überhaupt nicht der Sinn nach Gruselgeschichten und Vergehen der Kirche. Mir knurrte der Magen.

 

Die Aussicht auf weltliche, sommerliche Genüsse reizte mich viel mehr. Also bogen wir in den Drubbel ab und fanden bereits an der nächsten Kreuzung genau das, was unser Herz (Magen) begehrte. EIS!!!  Die Portion war sehr groß, aber wir hatten bisher nur Frühstück und es war einfach köstlich.

 

So gestärkt ging es weiter die Bogenstraße entlang mit ihren historischen Gebäuden. Es gab so viel interessantes zu sehen und zu bestaunen.

 

Am Spiekerhof bogen wir in die kleinen romantischen Gässchen des Horstebergs ab.

 

Hier am Horsteberg in Richtung Dom hat sich Münster einen romantischen und dabei fast dörflichen Charakter bewahrt. Diesen Teil Münsters, bis hinunter zur Universität an der Münsterschen Aa, fand ich schon immer besonders schön.


Zuerst aber machten wir Halt auf dem Domplatz. Wir ließen uns von diesem gewaltigen Dom einnehmen und besichtigten ihn anschließend ausgiebig von Innen. Obwohl er mit wenig Prunk auskommt, fast schon nüchtern ist, spürt man doch eine gewisse Erhabenheit.

 

Es wurde Zeit, wieder auf Erinnerungspfaden zu wandeln. Wir liefen den Horsteberg hinunter zur Münsterschen Aa und folgten ihrem, zum Park gestalteten, Flussbett bis zum Aasee.


Die erwartete Kühle durch das Wasser bliebt aus. Irgendetwas gewittriges lag in der heißen, flirrenden Luft. Ein unangenehmer Geruch stand über dem Wasser. Wir beschlossen, auf der Suche nach einem Cafe, noch ein Stückchen an der Westerholtschen Wiese entlang zu schlendern.

 

Ein bisschen Abkühlung unter der "Wasserplastik" von Heinz Mack. Wir waren nicht die Einzigen, die diese Erfrischung genossen. Barfuß schlenderten wir anschließend hinüber zum Wirbel von Henry Moore. 


Spätestens jedoch am Kunstwerk "Die Taten des Herkules" von Berhard Kleinhans mussten wir erkennen, ein Gartenlokal finden wir hier nicht. Also zurück in die Stadt und das am Besten gleich in Richtung Hauptbahnhof.

 

Kurze Zeit später fanden wir genau das, was wir suchten. Ein schönes Lokal mit einer kleinen Terrasse, auf der wir das Treiben auf der Straße genießen konnten. Dazu war der Kaffee hervorragend und tat gut, die Füße konnten kurz entspannen. Ganz unvermittelt schweifte unser Blick auf eine Institution der späten 60er Jahre: "Meyers Pumpernickel". Damals war es eine coole Adresse, man konnte da immer interessante Leute treffen und ich erinnere mich an manch ein tolles Gespräch. 
Wobei mir zu Pumpernickel direkt ein sehr interessantes Rezept einfiel.

OK, das war genug Münster. Es wurde Zeit zum Bahnhof zu laufen und zu schauen, ob der nächste Zug in Richtung Heimat wirklich um 18:30 h abfahren würde.
Die Anzeige ließ uns wissen, mit einer kleinen Verspätung könnten wir abreisen. Zeit, um noch schnell die nächsten Monatstickets für den Juli zu erstehen. 
Oben auf dem Bahnsteig wartet bereits der Zug, der sich mit 7 Minuten Verspätung unter noch immer strahlendblauem Himmel in Bewegung setzte.

Wir durchquerten problemlos das Ruhrgebiet, wieder wurde die Strecke Oberhausen gemieden, und stellten ab Mühlheim fest, wir fahren auf eine schwarze Wand zu. Zudem wurde es unerträglich schwül. Die Luft stand im Abteil. In Duisburg Hbf fielen die ersten Regentropfen und Blitze zuckten vom Himmel. Als wir den Rhein überquerten, öffneten sich die Himmelstore sintflutartig. Wir fuhren die nächsten Meter durch eine Wasserwand. 
Und dann kam die Durchsage:
"Wegen des Unwetters endet der Zug in Rheinhausen. Die weiterführende Strecke ist wegen umgestürzter Bäume auf die Leitungen blockiert. Bitte verlassen sie den Zug."
Gleichzeitig kam der Zug mit einer scharfen Bremsung zum Stehen. Die Zugbegleiter drängten uns auf den Bahnsteig. Wir durften trotz heftiger Regenfälle und einem unglaublichen Gewitter nicht im Waggon ausharren. 

Da standen wir nun, gestrandet und nass, auf dem Bahnsteig. Ich versuchte, wie die meisten der Mitreisenden, eine Verbindung zu meinen Lieben mit dem Handy herzustellen. Aber die Handys waren alle tot. Man bat uns, doch runter in die Unterführung zu gehen, da wären wir vor dem Regenfall und Gewitter sicherer. 
Nur wie es weiter gehen sollte, ob es nur ein kurzer Aufenthalt wäre, ob irgendwo Busse sein würden, das konnte uns keiner sagen, denn das Bahnpersonal war spurlos verschwunden. 

 
Und während wir in die Unterführung gingen, brach sich das Wasser seinen Weg, stürzte die Treppen und Schrägen der Gehwege herunter und setzte die Unterführung unter Wasser. 
Wir flüchteten alle nach oben, in Richtung Straße, suchten enggedrängt Unterschlupf in den beiden sich dort befindenden Bushäuschen und versuchten verzweifelt Kontakt zu Taxen oder Angehörigen zu bekommen.  
Wer endlich Glück hatte, der erfuhr, dass die Straßen im Großraum Duisburg / Krefeld nicht befahrbar seien. Sobald es möglich wäre, würden wieder Busse fahren. Taxen wären alle ausgebucht.  

Ich erreichte endlich unseren Sohn, der sich sofort auf den Weg machte und uns 2 Stunden später "rettete", um uns anschließend mit vielen Umwegen zurück zu unserem Auto nach Viersen zu bringen, wo wir dann endlich den Heimweg antreten konnten. 

Und was bitte teilte die Bahn auf Nachfrage mit:
Höhere Gewalt!

Das war an diesem Tag das Gesamtpaket, das die Bahn ihren Passagieren anbot. Für den Rest fühlte man sich nicht verantwortlich.

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