"Seelenfutter" Rezept 3: Frittierte Senfeier mit Kartoffelstampf


Was ist typisch für Venlo, die Stadt in den Niederlanden, in der ich wohne?
Nun, ich kann mit Fug und Recht behaupten: Das "Friet-Ei".
Es wurde 1959 in Venlo erfunden und gehört hierhin wie der Eiffelturm zu Paris.

Könnt Ihr Euch vorstellen wie erstaunt ich war das Rezept "Frittierte Senfeier mit Kartoffelstampf" im Kochbuch "Seelenfutter" von Ronny Loll auf Seite 112 zu entdecken? Es ist übrigens ein Gastbeitrag von Rainer Sass. Ich konnte es im ersten Augenblick gar nicht glauben. Meiner Erfahrung nach ist ein frittiertes Ei in Deutschland doch noch richtiges Gourmet-Neuland?

Seinem Rezept, dem allbekannten Senfei oder auch Eier in Senfsoße genannt, das Rainer Sass einen "Hochgenuss" nennt, "gewährt er durch das Frittieren in knusprig brauner Panierung noch einmal einen Quantensprung."
Somit war für mich deutlich, dieses Rezept musste ich doch auch nachkochen. 
Jedoch beim Lesen der Zubereitung wurde mir ganz schnell klar, lieber Herr Sass, so gut ihr Quantensprung  auch anmutet, er hat einen Fehler. Den man auch deutlich auf dem Foto entdecken kann, welches das Rezept auf Seite 113 schmackhaft in Szene setzt. Man sieht, dass die als wundervoll knusprig angekündigte Panierung leider fehlerhaft ist. Durch das gekochte Ei nur in Mehl,  aufgeschlagenes Ei und Panade zu geben, entsteht auf dem Ei keine richtig haftendende Hülle und kommt es beim Frittieren viel zu schnell in den Bereich verbrannt. Nutzt nicht, das dann Röstaromen zu taufen.

Aber sie, lieber Herr Sass, sind der Koch. Also habe ich zuerst das Ei nach ihrem Rezept zubereitet und fühlte mich bestätigt. 
Das war kein Quantensprung! Ich erspare Euch die Bilder.
Wie kann man nur ein Frittiertes Ei zubereiten ohne die das ganze Rezept abrundende Roux als "Haft- und Geschmacksträger" zu verwenden, bevor man es paniert?

Daher ist für mich klar, wenn ich schon dieses Rezept hier vorstelle, dann aber nur "vollständig", so wie es sich auch gehört, mit einer (in diesem Fall einfachen) Roux als wohlschmeckendes und tragendes Untergerüst für die knusprig goldbraune Panade. 
Also alles auf Anfang und das Ganze nochmal zubereitet.

 

Zutaten für die Roux:
40 g Butter
40 g Mehl
Hühnerbrühe 
Salz
Pfeffer
2 TL Senf

Butter im Topf schmelzen und das Mehl hinzugeben. Gut mischen und goldgelb garen lassen. Langsam die Hühnerbrühe hinzugeben und anziehen lassen. Senf einrühren. 
ACHTUNG! Nur so viel Hühnerbrühe einrühren, dass sich eine schwere und dicke Roux bildet. 
Mit Salz, Pfeffer abschmecken und abkühlen lassen.
 
Zutaten für die Eier:
6 Eier
Roux !!
Mehl
2 Tassen Pankomehl

Zutaten Senfsauce:
250 g Joghurt
70 g Butter
2 EL mittelscharfen Senf (gehäuft) 
Salz
Zucker

Mein Tipp:
Die im Rezept vorgeschlagene Art der Stampfkartoffeln ist mir zu pur. Ich habe hier unser Familienrezept benutzt, meine Testesser waren wie immer bei meinem Kartoffelstampf sehr begeistert.
Rauke, wie im Rezept angegeben, war bei dem Gemüsehändler meines Vertrauens nicht greifbar. Da mich aber die frischen Plattbohnen beim Einkaufen so appetitlich anlachten, habe ich mich dafür entschieden. 
Ihr seht, so geht das halt mit kreativem "Seelenfutter".

Zutaten Stampfkartoffeln:
500 g mehlige Kartoffeln
2 Möhren
1 daumendicke Scheibe Knollensellerie
1/2 l Gemüsebrühe
20 g Butter
Milch
1 EL Frischkäse
Salz
Pfeffer
Muskatnuss (frisch gerieben)
250 g frische Plattbohnen
frisch gepresster Zitronensaft

 

4 Eier 5 Minuten wachsweich kochen, abkühlen und dann vorsichtig pellen. Jedes Ei mit der vorbereiteten Roux bestreichen (geht am besten mit den Händen), im Mehl wenden, etwas antrocknen lassen und eventuell wiederholen. 
Die beiden ungekochten Eier in einem Schälchen leicht schaumig aufschlagen. Danach die vorbereiteten Eier sanft durch das aufgeschlagene Ei ziehen und anschließend vorsichtig im Pankomehl wälzen.


Öl auf 170° C erhitzen. Die Eier vorsichtig in einen Frittierkorb legen und in ca. 2 - 3 Minuten goldgelb ausbacken.
Auf einem Küchentuch abtropfen lassen. Abgedeckt warm halten.

 

Butter in einem Topf zerlaufen lassen. Joghurt und Senf miteinander verrühren und hinzugeben. Alles nun gut vermischen und auf kleinster Flamme einige Minuten gut erwärmen. Darauf achten, dass die Sauce nicht kocht, sonst flockt sie aus. Mit Zucker und Salz abschmecken.
Mein TIPP: 
Da ich meinen eigenen Senf herstelle, habe ich hier eine Variation mit frisch geriebener Zitronenzeste als "Geschmachsverstärker" verwendet. Er intensiviert die Frische der Joghurtsoße und macht das panierte und im Fett gebackene Ei im Geschmack leichter.


Kartoffeln und Möhren schälen und in grobe Würfel teilen. Sellerie putzen und ebenfalls in Würfel schneiden. Zusammen in einen Topf mit der Gemüsebrühe geben und weichkochen. Sollte nach dem Kochen zu viel Brühe im Topf sein, diese abgießen. Kartoffel stampfen, Butter, Milch und Frischkäse hinzugeben und gut unterheben. Es sollte so viel Milch hinzugegeben werden, dass eine cremige Konsistenz entsteht, die aber auch noch etwas grob ist. Nun mit Salz, Pfeffer und frisch geriebener Muskatnuss abschmecken.
Parallel die Plattbohnen putzen und halbieren. In Salzwasser mit 2 EL Zitronensaft bissfest garen. Abgießen.

 

Auf vorgewärmten Tellern den Kartoffelstampf auftragen, mit einem Suppenlöffel so eindrücken, dass ein Nest entsteht, die Bohnen wie einen Korb auflegen, Senfsauce einfüllen und das Frittierte Ei ins Nest setzen.
Restliche Senfsauce in einer Sauciere auf den Tisch setzen.

Wer nun sein Ei aufschneidet, der findet es eingebunden in einem Mantel aus knusprig ausgebackener Panade, die durch den Senf in der im Geschmack angepassten Roux zum wirklichen Quantensprung und Gaumenvergnügen des Rezeptes wird.


Nun hat sich diese von mir erweiterte und etwas angepasste Variante für mich und meine Testesser zum wahren "Seelenfutter" gemausert. "Frittierte Senfeier" wird so ab sofort ganz oft auf unserem Speisezettel landen. 
Danke für diesen Anstoß, Rainer Sass und Ronny Loll

Ach ja, in einem meiner nächsten Post werde ich Euch in die Geschichte des echten "Venloer Friet-Ei" entführen, das ich auch für Euch koste. Genau wie ich Euch die Variation vorstellen werde, die ein mit einem Michelin Stern dekorierter Koch erfunden hat.
Da sage noch einer, die Niederländer hier im Süden hätten keine gute Küche.

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